Jour fixe Bildungstheorie I Bildungspraxis: Rückblick auf das Sommersemester 2023
Aktuelle Herausforderungen für die Erwachsenenbildung: Krise, Krieg und Post-Corona
Am Beispiel zweier Verbände der allgemeinen Erwachsenenbildung (EB), dem Ring Österreichischer Bildungswerke und dem Verband Österreichischer Volkshochschulen, diskutierten wir im Sommersemester 2023, wie es der EB gelingen kann, trotz der Krisen und der schwierigen Ressourcenlage immer wieder Bildungs- und Lernräume zu eröffnen, freiwilliges Engagement zu unterstützen und Beiträge zu zivilgesellschaftlicher, demokratischer Entwicklung und Resilienz zu leisten.
Vielfalt der Erwachsenenbildung – eine Herausforderung
Die große Heterogenität der EB (institutionell, strukturell, was Zielgruppen, Themen, Formate, Arbeitsweisen, Haupt- und Ehrenamtlichkeit etc. betrifft) ist einerseits eine Stärke des Bereichs, erschwert aber häufig das Verständnis, was EB ist und tut. Bei vielen gesellschaftlichen Herausforderungen könnte „die Politik“ auf etablierte Strukturen und Kompetenzen der EB zurückgreifen, was sie aber häufig nicht tut.
Sich ändernde Förderlogiken – von der Strukturförderung hin zur Projektförderung – erschweren Planungen und nachhaltiges Arbeiten. Betriebswirtschaftlich agieren müssen und gleichzeitig z.B. Teilhabe, Community-Orientierung und politische Bildung ermöglichen stellt gemeinnützige Einrichtungen vor große Herausforderungen.
Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe – prinzipiell alle Menschen sind Zielgruppe
Bildungsgerechtigkeit fördern, Teilhabe ermöglichen, Begegnungsräume schaffen, Engagementmöglichkeiten bieten sind wichtige Anliegen sowohl der Mitgliedseinrichtungen des Rings Österreichischer Bildungswerke wie auch der Volkshochschulen. Durch ein Netz an Einrichtungen auch in ländlichen Regionen, hauptamtlich und nebenberuflich Tätige wie auch eine große Zahl von Ehrenamtlichen werden sehr viele niederschwellige Angebot verwirklicht. Aufklärung, Mündigkeit, Kritik, solidarisches Handeln, Geselligkeit und Förderung von Demokratie sind wichtige Werte unserer EB.
Beständiger Wandel
Gesellschaftliche Entwicklungen wahrnehmen und analysieren, Bedarfe erkennen wie auch Bedarf und Bedürfnisse wecken sind ständige Notwendigkeit in der Arbeit der EB. Auf Krisen reagieren ist die eine Seite, Wandel gestalten die andere. Auch die Einrichtungen der EB müssen sich ständig bis zu einem gewissen Grad neu erfinden: in der Programm- und Angebotsgestaltung, der Strukturierung oder Ausweitung der Angebote, in der Neuerfindung von Formaten und dem Etablieren von Kooperationen; auch Organisationsentwicklungsprozesse sind Teil dieses beständigen Wandels.
Was ist das Feld der EB? Kooperationen als konstitutiver Faktor
Prozesse und Entwicklungen in und mit Gemeinden gestalten bedeutet mit den unterschiedlichsten Einrichtungen zu kooperieren, mit Schulen, Sozialeinrichtungen, anderen Bildungs- und Kultureinrichtungen, Projekte mit Jugendlichen und Senior*innen zu etablieren, wie auch Übergänge zwischen Qualifikationen zu gestalten, um Teilnehmer*innen zu unterstützen in der Weiterentwicklung ihrer Qualifikationen und Abschlüsse. Dies bedeutet entwicklungsorientiertes Arbeiten, kooperieren mit sehr vielen Netzwerkpartner*innen und eine Überwindung von institutionen- und altersgebundener Sicht auf EB.
Der Jour fixe Bildungstheorie I Bildungspraxis – Austausch zwischen Theorie und Praxis
Der Jour fixe wurde 2007 vom Ring Österreichischer Bildungswerke begründet. Die Veranstaltungsreihe stellt eine Kooperation zwischen Erwachsenenbildung und Universität dar, in der das Theorie-Praxis-Verhältnis der Erwachsenenbildung als lebendiger Diskurs gepflegt wird. Im Zentrum der Diskussions- und Vortragsabende stehen offener Austausch, Perspektivenwechsel, theoretische Reflexion und Kritik.
Der Jour fixe, der vom Ring Österreichischer Bildungswerke, dem Institut für Wissenschaft und Kunst, dem Verband Österreichischer Volkshochschulen sowie dem Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien organisiert und gestaltet wird, versteht sich dabei als ein Ort, an dem Bildungsfragen in ihrem gesellschaftlichen Kontext beleuchtet und diskutiert werden. Er ist auch ein Ort für die Professionalisierung in der Erwachsenenbildung und die Weiterentwicklung der Erwachsenenbildungsforschung. Die Reihe ist offen für alle Interessierten.
Konzept und Organisation
Genoveva Brandstetter: pädagogische und wissenschaftliche Leitung im Ring Österreichischer Bildungswerke
Barbara Litsauer: Generalsekretärin des IWK, Lektorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien
Amos Christopher Postner: Universitätsassistent am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien
Stefan Vater: wissenschaftlicher Mitarbeiter der Pädagogischen Arbeits- und Forschungsstelle des Verbands Österreichischer Volkshochschulen
Veronika Wöhrer: Professorin für Bildung und Ungleichheit am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien
Foto von links nach rechts: Stefan Vater, John Evers, Georg Primas, Genoveva Brandstetter